Das alte, neu erzählte Märchen
Der innere Gehalt mag nietzscheanisch geprägt sein. Die Idee für das Gedicht hatte ich schon länger, bis das Lied bzw. Gedicht von Yuri Kukin „Der alte Märchendichter“ (russisch Старый сказочник) mich auch auf die richtige Form brachte: natürlich das Märchen! Der Stil ist beeinflusst von dem oben genannten Lied und Heinrich Heines „Liebste, sollst mir heute sagen“. Ein spezieller Dank gilt Jean-Philippe Séraphin, der eine tiefgreifende Rezension geschrieben hat, die mir geholfen hat, den Text noch einigermaßen zu verbessern.
Mein Dad schuf neu die alten Märchen:
von einem sonderbaren Mädchen,
von ihrem Prinzen und dem Reiche,
in ihm sind tiefe Honigteiche.
Von Wesen, die im Walde leben:
von Spinnen, die dort Schlösser weben,
von Basilisken und Chimären
und Satyrn, Hexen, Drachen, Bären.
Im Reiche gibt es Königsritter
und armes Fräulein Margareta.
Erzähltest du ein wahres Märchen
von jenem wunderbaren Mädchen,
von ihrem Prinzen und dem Reiche,
in dem die tiefsten Honigteiche,
von grünen, zauberhaften Wiesen
und wilden, grauenvollen Riesen?
Und was, wenn’s stimmt, was Leute sagen,
die jedes Märchen hinterfragen?
Es gibt, sie sagen, keine Ritter
und keine arme Margareta.
Wie soll ich denn noch weiter leben,
wenn alle Sagen langsam sterben?
Erzähl mir deine neuen Märchen,
vom allerschönsten Menschen, Gretchen!
Ich werd’ sie unter Menschen säen,
Ich pflege sie und schütz’ vor Krähen.
Man wird sie eines Tages pflücken
und als den Trank des Lebens schlücken.
Sag, kann ein Märchen mich berauben,
da ich an die erzählten nicht mehr glaube?
Bringst du mir bei, wie ich sie dichte,
wie ich die Welt des Traumes richte.
Mein Vater, sag, dass ich noch lebe,
dass ich nur bloß im Traume schwebe,
ich werd’ die alte Welt vernichten
und sie dann neu, ganz neu umdichten!